Andrea Imper Kessler über Beziehungskrise im Fadegrad Podcast

Beziehungskrise: Wann ist eine Trennung sinnvoll, Andrea Imper?

Ein neues, hochmodernes Gerät kann mittels Fingernägel-Analyse herausfinden, ob zwei Menschen zusammen passen oder nicht. So wird sichergestellt, dass es zu keiner Beziehungskrise, Trennung oder Scheidung mehr kommt, weil man gar nicht erst den «falschen» Partner auswählt. Klingt nach Science-Fiction? Ist es auch. Im Film «Fingernails» von Christos Nikou besitzen Anna und Ryan ein Dokument, das ihre wahre Liebe bescheinigt. Trotzdem gerät ihre Beziehung in eine Krise. Beim Versuch, sie zu retten, verliebt sich Anna ausgerechnet in ihren neuen Arbeitskollegen Amir…

Im aktuellen Fadegrad-Podcast geht es um Beziehungskrisen. Psychotherapeutin Andrea Imper Kessler berät und coacht seit zehn Jahren Menschen bei der evangelisch-reformierten Einzel-, Paar- und Familienberatung St.Gallen.

Die Idee, einander in einer Beziehung permanent glücklich zu machen, ist eine grosse Täuschung. Krisen gehören zu einer Beziehung dazu.

«Nach vielen Jahren Beziehung und wenn die erste Verliebtheitsphase vorbei ist, kann es gar nicht sein, dass man immer dieselbe Weltsicht, dieselben Träume und Bedürfnisse hat», sagt die Psychotherapeutin, die selbst seit 20 Jahren in einer Beziehung ist und zwei Kinder im Teenageralter hat.

Ein mongolisches Sprichwort sagt über Beziehungskrise: Wenn Mann und Frau auch Jahrzehnte auf dem gleichen Kopfkissen schlafen, so haben sie doch nie dieselben Träume.

Jetzt Podcastfolge über Beziehungskrise hören:

Diese Themen erwarten dich im Podcast über Beziehungskrise:

  • 01:16   Andrea Imper Kessler und die evangelisch-reformierte Einzel-, Paar- und Familienberatung St.Gallen
  • 02:44   Beziehungskrise! Lieber alleine oder gemeinsam in die Beratung?
  • 03:44   Warum Paarbeziehungen in eine Krise geraten
  • 05:25   Religion als Ressource sowie als Hindernis für gelingende Beziehungen
  • 06:29   Raus aus dem Alltagstrott mit der «VW»-Regel
  • 09:11   Wie kann man neu Verbundenheit in der Beziehung aufbauen?
  • 13:50   Was tun, wenn man an der eigenen Beziehung zweifelt?
  • 15:56   Warum Harmonie nicht alles ist in einer Beziehung
  • 18:42   Tipps fürs gute Streiten
  • 22:59   Haben Sie schon einmal an eine Trennung gedacht?
  • 26:13   So gelingt eine «gute» Trennung
Der Beratungsraum von Andrea Imper bei der evangelisch-reformierten Einzel-, Paar- und Familienberatung.
Der Beratungsraum von Andrea Imper bei der evangelisch-reformierten Einzel-, Paar- und Familienberatung.

Das sind laut Psychotherapeutin Andrea Imper die häufigsten Gründe, warum Paare in eine Krise geraten:

  • Entfremden und Distanz z.B. durch Stress oder fordernde Familiensituationen
  • Kommunikationsprobleme und häufige Konflikte durch negative Interaktionsmuster
  • Vertrauensbrüche, z.B. durch Untreue oder Verheimlichungen, z.B. bei Sucht

Im Film «Fingernails» ist die Beziehung der Hauptperson Anna mit ihrem Freund Ryan in die Jahre gekommen. Sie gehen liebevoll miteinander um, aber vieles ist Alltag geworden: Symptomatisch dafür stehen ihre gemeinsamen Fernsehabende, bei denen sie Tier-Dokus ansehen.

Wie kommt ein Paar wieder raus aus dem Alltagstrott? Andrea Imper Kessler: «Es ist individuell, wie viel Alltag eine Beziehung aushalten kann» Zuerst gehe es darum, zu überlegen, was eine Beziehung alles abdecken müsse. Möglicherweise stecken überhöhte Erwartungen an die Beziehung dahinter. «Wichtig ist es, Wünsche statt Vorwürfe an den Partner zu kommunizieren, also z.B. «Ich wünsche mir mehr Abwechslung» anstelle von «Du bist langweilig geworden!»»

Zweifel an der Beziehung zulassen

Mit zwei Kreisen illustriert Andrea Imper, wie es in einer Beziehung zu Beginn sehr viel und später mal mehr, mal weniger Überschneidung geben kann. Wichtig ist nur, dass es die Überschneidung gibt und das Paar nicht endgültig auseinanderdriftet.)

Andrea Imper rät dazu, Zweifel in der Beziehung ernst zu nehmen und die eigenen Gefühle wahrzunehmen. «In einer Krise sind die «Nein» zu einer Beziehung im Vordergrund. Da geht es darum, zu sehen, ob man auch noch das «Ja» finden kann.»

(Foto: Mit zwei Kreisen illustriert Andrea Imper, wie es in einer Beziehung zu Beginn sehr viel und später mal mehr, mal weniger Überschneidung geben kann. Wichtig ist nur, dass es die Überschneidung gibt und das Paar nicht endgültig auseinanderdriftet.)

In was habe ich mich verliebt? Diese Frage kann helfen, die positiven Aspekte der Beziehung zu sehen.

Sie schlägt vor, das Gespräch früh mit der Partnerperson zu suchen, um die Zweifel äussern zu können und der anderen Person und der Beziehung eine Chance auf Veränderung zu geben.

Andrea Imper Kessler berät Paare, deren Beziehung in eine Krise geraten ist. Sie sitzt auf einem schwarzen Stuhl in der evangelisch-reformierten Einzel-, Paar- und Familienberatung St.Gallen.

Eine positive religiöse Prägung kann zu einer tieferen Verbundenheit innerhalb einer Paarbeziehung führen, ist Andrea Imper überzeugt.  «Man hat ja zueinander gesagt und geht miteinander durch dick und dünn. Es kann aber auch negativ sein, wenn man keine Veränderung oder Loslassen zulässt.»

Wie der Film «Fingernails» ausgeht und ob Anna sich schliesslich für ihre langjährige Beziehung mit Ryan oder für die frischen Gefühle zu Amir entscheidet, wird hier nicht verraten. Auch die Paarberatung bei Andrea Imper Kessler ist ergebnisoffen:

Die Menschen, die in die Paarberatung kommen, haben meistens den Wunsch, beisammen zu bleiben, sonst wären sie gar nicht erst da.

Dennoch gäbe es im Verlauf der Beratung manchmal den Punkt, an dem sie frage, «Haben Sie schon einmal an eine Trennung gedacht?» Für manche Paare sei diese Frage eine Entlastung, weil sie sich erstmals mit diesem Gedanken auseinandersetzen können. Für viele sei es jedoch eine Motivation, sich zusammenzuschliessen, weil sie sagen: «Wir möchten zusammenbleiben, wir möchten an unserer Beziehung arbeiten».

Sie führt keine Statistik, wie viele Paare nach einer Beziehungskrise und Paarberatung zusammenbleiben und wie viele sich trennen. Fakt ist: «Bei fast allen Beziehungen verändert sich etwas und kommt etwas in Bewegung»

Beratungsstelle Miteinander-Leben

Die Beratungsstelle wird finanziert von evangelisch-reformierten Kirchgemeinden, der evangelisch-reformierten Kantonalkirche St.Gallen sowie der evangelisch-reformierten Kirche der beiden Appenzell. Sie steht allen Personen aus dieser Region offen, unabhängig von ihrem Zivilstand oder ihrer Religionszugehörigkeit. Neben Andrea Imper Kessler ist die integrative Beraterin Karin Scheiber dort tätig. Miteinander-Leben bietet psychologische, jedoch keine rechtliche oder finanzielle Beratung an.
https://www.miteinander-leben.ch/

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